«Auf solche Ideen kommt nur, wer eine fundierte didaktische Ausbildung hinter sich hat.» 

Verabschiedung Thomas Fähndrich

Thomas Fähndrich widmet sich nach 18 Jahren an der KME neuen Projekten

Von Adrian Schläpfer

 


Thomas ist wahrscheinlich schon als Lehrer zur Welt gekommen. Mit ihm konnte man trefflich über didaktische und pädagogische Themen diskutieren. So hatten wir immer wieder angeregte Gespräche über die perfekte Unterrichtsmethode an der KME (falls es so etwas überhaupt gibt). 

Thomas erklärte mir die Hammer-Didaktik, welche in der im Osten an die Schweiz angrenzenden Alpenrepublik praktiziert wird. Die Lehrperson betritt das Klassenzimmer und fragt laut in die Runde: «Wos hammer denn in der letzten Lektion ghabt?» 

Ich konterte mit der sogenannten Schwellendidaktik, nicht ganz frei von Erinnerungen an die Verkehrspolitik in der Stadt Zürich in den 90er Jahren, damals liess Stadtrat Ruedi Aeschbacher (seinerseits stolzer Besitzer eines schnittigen Ferrari) Schwellen auf Quartierstrassen anbringen, um den neu eingeführten Tempo 30-Zonen mehr Nachdruck zu verleihen. «Schwellen-Ruedi» hatte seinen Spitznamen weg und ein neues Didaktik-Modell kam zur Welt.

Die Lehrperson überlegt sich beim Überschreiten der Schwelle zum Klassenzimmer, wie sie die Lektion gestalten will. Thomas hatte dann, quasi als dialektische Erkenntnis aus den bisher genannten Modellen, die Weihnachtsdidaktik generiert. Die verantwortungsbewusste Lehrperson schleicht sich nächtens ins Klassenzimmer und nutzt die Zeit, um mit farbigen Kreiden die gesamte Lektion auf der Wandtafel wunderbar aufzuzeichnen. Danach wird das Kunstwerk zugeklappt (so in etwa wie beim Isenheimer-Altar in Colmar) und am nächsten Morgen vor der versammelten Klasse wieder geöffnet. Die staunenden Aaaahs und Oooohs der Studierenden sind ob des Überraschungseffektes garantiert. 

Auf solche Ideen kommt nur, wer eine fundierte Ausbildung hinter sich hat. Thomas besuchte zunächst das Lehrerseminar in Zug, um danach drei Jahre lang als Primarlehrer in der dörflichen Innerschweiz zu unterrichten. Anschliessend wagte er sich nach Freiburg vor, um an der dortigen Universität Germanistik und Geschichte zu studieren. Mit dem prall gefüllten akademischen Rucksack, inklusive einem Doktortitel, ging er zur nächsten Arbeitsstelle: Zum Lehrerinnenseminar Bernarda in Menzingen, an dem Thomas über 10 Jahre lang angehende Primar-, Arbeits- und Hauswirtschaftslehrerinnen sowie Kindergärtnerinnen unterrichtete. 

Von der Innerschweiz über Zürich nach Kassel

Anfangs des 21. Jahrhunderts suchte Thomas nach einer neuen beruflichen Herausforderung und stiess in der (gedruckten!) Ausgabe der NZZ auf ein Stelleninserat der KME. Ihm kam zugute, dass er sich bereits mit digitalen Unterrichtsmethoden auseinandergesetzt und dies in seiner Bewerbung auch erwähnt hatte. Heiri Strebel, bis 2011 Langzeitrektor an der KME, griff zu. Ihm war die Digitalisierung an seiner Schule schon lange ein wichtiges Anliegen. 2003 konnten wir Thomas als neue Lehrkraft für Deutsch und Geschichte an unserer Schule begrüssen.

Für den Innerschweizer war der Wechsel nach Zürich eine grosse Herausforderung, zumal er auch noch in der Fachschaft «Grundkurs Sprache» Unterschlupf fand und somit drei Fächer nebeneinander in der Zwinglistadt zu unterrichten hatte.  

Thomas fand Gefallen am Unterricht mit Erwachsenen und konnte in der Fachschaft Geschichte seine in Freiburg erworbenen vertieften Kenntnisse über die Schweizer Geschichte mit Gewinn einbringen. Auch das vor kurzem eingeführte «Begleitete Selbststudium», das in der Geschichte im zweiten Semester mit Schweizer Geschichte gefüllt wird, konnte er didaktisch geschickt zu einem ansprechenden digitalen Lernmodul entwickeln. Davon profitieren wir noch heute. 

Die Mediothek als Anregungs- und Rückzugsort

Als Präsident der Mediothekskommission hat Thomas während mehreren Jahren engagiert die Position der einzelnen Fachschaften im Austausch mit unseren Mediothekarinnen, Yolanda Püntener und Irène Scheitlin, vertreten. Immer, wenn ihm das Alltagsgetriebe der KME zu laut und zu anstrengend wurde, hat er sich zum Arbeiten aber auch zum geselligen Austausch mit unseren Mediothekarinnen Yolanda Püntener und Irène Scheitlin in die Mediothek zurückgezogen. Dort berichtete er gerne von neu entdeckten Kochrezepten oder ausführlichen Velotouren, die er mit seiner Gattin Monika unter die Speichenräder genommen hatte.

Die einmal pro Jahr durchgeführte Mediothekskommissionssitzung wurde von Thomas stets mit einem literarischen Aperçu eingeleitet. Überhaupt das Schreiben, das war etwas, das Thomas immer sehr gerne gemacht hat. Er war Mitglied des dreiköpfigen Redaktionsteams, das für die ausführliche Jubiläumsschrift «50 Jahre KME» verantwortlich zeichnete. In dieser Funktion hat er mehrere Texte über die Geschichte unserer Schule verfasst. Über Jahre hinweg hat Thomas zudem den Austausch zwischen der KME und ihrer Partnerschule in Deutschland, dem Hessenkolleg in Kassel, organisiert und durchgeführt.  

Die Arbeit in drei Fachschaften erforderte einen hohen Einsatz, vor allem bei den alljährlichen Aufnahmeprüfungen wurde Thomas gerne von den Kollegen und Kolleginnen um eine Mitarbeit angefragt. Er konnte davon ausgehen, jedes Jahr zum Handkuss zu kommen. Abwechselnd in der Fachschaft Geschichte respektive Deutsch. Der lange Arbeitsweg von Cham nach Zürich wurde von Thomas gerne auch auf dem Velo bewältigt, nicht zuletzt deshalb, weil er mit dem Zug einige Male im Zimmerbergtunnel steckengeblieben war. Thomas sattelte dann vor einigen Jahren auf ein schnelles E-Bike um, dessen Batterie er jeweils im Lehrerarbeitszimmer aufladen liess.

Und dies, obwohl er im Kanton Zug steuerpflichtig blieb – der Strom wurde also von der Limmatstadt finanziert; doch manchmal klappte das nicht zur vollen Zufriedenheit und Thomas musste auf der Rückreise ins geliebte Cham einen Zwischenhalt einlegen (einen sogenannten Ladehalt) oder das schwere E-Bike in einen Regionalzug hieven. Ob das an einer zu tiefen Voltzahl, an einem Kabel mit Wackelkontakt oder an zu Spässen aufgelegten Kollegen lag, konnte nie zweifelsfrei eruiert werden. 

Wenn Thomas in Korrekturen und Prüfungsvorbereitungen versank, mit anderen Worten «im Gusel» war, dachte er wehmütig an seine beschaulichere Zeit als Primarlehrer zurück. Er versicherte mir vor kurzem im Lehrerarbeitszimmer, dass er im Herbst seiner Lehrerkarriere eigentlich gerne noch einmal in einer Primarschule unterrichten würde. Doch zu einer Reaktivierung der Weihnachtsdidaktik sollte es nicht kommen, auf Ende des Schuljahres 2020/21 liess sich Thomas frühzeitig in den Ruhestand versetzen. Inzwischen ist er, wie jüngst bekannt wurde, schon wieder stark beschäftigt mit historischen Studien und Museumsprojekten in seiner trauten Innerschweiz. Wir wünschen ihm gutes Gelingen bei diesen Vorhaben. 

Text: Adrian Schläpfer

Bilder: Thomas Fähndrich, Nicole Sotzek